Nachdem wir Khovd mit reparierten Federn wieder verlassen konnten ging der Weg auf der mongolischen Südroute (es gibt drei grundsätzlichen Pisten in der Mongolei – Nord, Südnord und Süd) weiter zur Stadt Altai. Es war uns schon bekannt gegeben, dass diese Route langfristig durch Steinwüste und Steppengebiete führt. Eigentlich wollten wir die Nordroute nehmen und dann auf die Südnord abbiegen. Durch die vielen Regenfälle aber war die Nordroute zum Teil nur schwer zu befahren. Viele Wasserfurten führten zuviel Wasser und waren zumindest für Jeeps nicht befahrbar. Wir, noch im Federbruchtrauma, wollten keinesfalls weitere Risiken eingehen. Leider – denn schon bald mussten wir erkennen, dass auch die Südroute kein Zuckerschlecken war.
Wellblechpiste mit großen Wellen zerrütten uns nervlich wie fahrtechnisch. Langsam Wellblechpisten zu fahren führt zu massiven Erschütterungen, so daß man das Gefühl hat das Amaturenbrett kommt einem entgegen und wird aus allen Verankerungen gerissen. Die Lösung heißt, schnell über die Wellen zu „brettern“, so daß der Reifen die Unebenheiten nicht mehr ausfährt und gewissermaßen über die Wellen fliegt. Dazu muss man aber mindestens 60 km/h fahren. Das wiederum macht sich gar nicht gut, wenn in der Wellblechpiste Schlaglöcher erscheinen. Über die kann man leider nicht fliegen!! Sondern höchstens hineinkrachen. Nun - fahrtechnisch sieht das so aus: man fährt über die Wellblechpiste sachte an, nimmt vorübergehend die Bodenschläge in kauf und beschleunigt so schnell das ein Truck kann, bis er auf Tempo 60 oder 70 km/h ist, dann spürt man erstmal von den Wellen wenig. Plötzlich bremst ein Schlagloch, bzw. vorher die Bremsen, die Fahrt abrupt ab, die Erschütterungen drohen wieder das Fahrzeug zu zerreisen und bringen das Tempo auf 10 km/h herunter um dann wieder mit Vollgas zu beschleunigen. Im Wechsel dieser Stop and Go tour kommt man nach zwei Stunden an die Grenzen eines Nervenzusammenbruchs. Die Fahrer wechseln.
Das geht so 1000km weit. Am Ende hoffen und beten wir, dass diese Straße ein Ende haben möge. Hat sie, in Altai wird sie tatsächlich etwas besser und in Bayankhongor biegen wir auf eine Passstrasse nach Norden ab.
Inzwischen hat MANni Schlagseite bekommen. Auf der linken hinteren Achse platzte ein Federfaltenbalg, der zur Entlastung der Blattfedern eingebaut ist. Am Faltenbalg hatte sich ein Abflussrohr durch die Erschütterungen angelegt und nach den vielen tausend Kilometern den Balg durchgewetzt. Dem nicht genug, brach kurz nachdem wir auf die Passstrasse eingebogen waren an der Hinterachse eine Balttfeder und danach noch eine Zweite. Katastrophe!
Der nächste Bruch war vorprogrammiert, denn von einer Bruchfeder hatten wir schon den abgebrochen Teil verloren und so lag die verbleibende Feder auf der Bruchkante der anderen. Jetzt war guter Rat teuer. Weit und breit keine Helfer in Sicht – wir inzwischen weit im Naturschutzgebiet mutterseelenallein und die Wege hatten sich zu reinen Offroadwegen entwickelt. Quer durch und entlang von kiesigen Flussbetten, über Felsen und durch Wasserfurten von 80cm Tiefe.
Aber wir hatten ja gelernt wie die Truckerdriver in der Steppe uns geholfen hatten. Allerdings hatten die noch die Federblattreste, wir nicht! Also war die Idee (von Rainer) anstelle der fehlenden Federteile unsere Montiereisen zwischen die bestehenden und noch funktionieren Blätter zu klemmen. So ein Jurist hat wirklich was drauf!! Wir entlasten das Federpacket mit dem Wagenheber - so wie wir es von unseren Helfern in der Steppe vor vier Tagen gelernt hatten - und hämmern die Montiereisen in die Lücke die das verlorene Federteil hinterlassen hat. Es regnet wieder. Mit den Montiereisen als Federersatz - mit Spanngurten am Verrutschen gehindert - fahren wir extrem langsam weiter, immer mit der Angst, der nächste Stein, das nächste Loch, die nächste Flußdurchquerung - und da kommen viele, da der Fluß durchs Tal meandert - könnte das Aus für unsere Weiterfahrt bedeuten. Irgendwann sehen wir die ersten Viehherden, kurz darauf die ersten Jurten auf dieser Seite des Passes. Irgendwie ist dies erleichternd, aber helfen können uns diese Leute auch nicht, falls die Federn weiter brechen sollten. Wir schaffen es an diesem Tag nicht mehr aus dem Tal heraus. Aber wir schaffen 64 km in 10 Stunden und die Konstruktion hält.
Wir übernachten im Tal. Es sind Immer noch 25 km vor Tsetserleg. Und ich muss zugeben, wir sind hier wirklich quer durch das Naturschutzgebiet gefahren und haben streckenweise keinen Weg mehr
erkannt, nur unser GPS kannte die Strecke. Ohne ein solches wäre eine Fahrt durch eine großartige Natur ohne Hinweis und Markierungen unmöglich. Begleitet haben uns auf diesem Weg über die
Hochebenen auf durchschnittlich 2500m die vielen Jurten und Viehzüchter mit ihren großen Yakherden und unendlich vielen Ziegen. Interessanterweise treiben nur noch die älteren Männer die Herde
mit Pferd und einer Urga (Stange mit Lasso). Die junge Generation treibt die Tiere mit Motorrädern. Das Naturschutzgebiet ist landschaftlich phantastisch. Hier wurden auch die
Przewalskipferde zum Teil wieder ausgewildert. Dieses Urpferd lebte zuletzt nur noch hier in der Mongolei. Mit viel Mühe werden heute diese Pferde weltweit nachgezüchtet und in diesen
Nationalparks wieder schrittweise in die Natur entlassen.
Leider haben wir kein so gutes Wetter derzeit. Täglich regnet es und in der Höhe der Berge wird es nachts fast 0 Grad kalt und tagsüber bleibt die Temperatur bei um die 15 Grad. Kommt die
Sonne aber hervor wird es gleich schön warm und die Stimmung verbessert sich bei uns sofort. Was wird wohl meine liebe Frau sagen, wenn sie in 14 Tagen in die Mongolei kommt und dieses furchtbar
kalte Wetter vorfindet. Am Besten bleibe ich mit ihr in der Wüste Gobi, da hat garantiert um die 40 Grad. Das hier darf ich ihr nicht antun – nach dem grausamen Wetter dieses Jahr in Europa.
Am Mittag des nächsten Tages hat uns die Zivilisation wieder! Wir erreichen Tsetserleg. Unseren Federbruch kann man hier aber leider nicht reparieren. Doch von hier bis in die Hauptstadt gibt es fast ausschließlich Asphaltstrassen, und in der Not bestimmt auch Hilfe. Wir verabschieden uns von Dascha und Alena, die noch am Abend einen Minibus nach Ulan Bataar nehmen. Morgen werden auch wir diese letzten 500km angehen.
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